Hirnstromern
Lindentriebe für Gelesenes
Als ich dies schrieb, einst, begann, wenn auch nur zaghaft, die hohe, im Sommer schattenspendende Linde auszutreiben. Drum bekommen die hier ohne Rezension nur mit Klappentext aufgeführten Bücher nicht die üblichen Sterne, sondern bewertende Lindentriebe zugesprochen. Nur ein Trieb ist zwar während des Betrachtens wunderschön, aber für den Inhalt eines gelesenen Buches ist er nicht erstrebenswert; dann doch lieber sieben, acht oder gar zehn Triebe, die sich anerkennend wiegen im Wind oder fast platzen vor Begeisterung. Also Bücher: strengt euch an!
Herbst
Ali Smith
gelesen im April 2024
260 Seiten
Der erste Roman aus Ali Smiths Jahreszeitenquartett erzählt von einer Welt, die immer abgeschotteter und extremer wird und zugleich unendliche Schönheit birgt, etwa im Herbst. Und er erzählt vom Altern, von der Zeit und von der Liebe. Von uns.
Ein berührendes, umwerfendes Juwel britischer Literatur.
DEUTSCHLANDFUNK KULTUR
Herbst ist der erste ins Deutsche übersetzte Band aus Smiths Jahreszeitenquartett und macht Lust auf die Teile, die noch folgen.
STERN
Was dann nachher so schön fliegt
Hilmar Klute
gelesen im April 2024
365 Seiten
Ruhrgebiet, Mitte der 8oer-Jahre: Volker Winterberg arbeitet als Zivildienstleistender im Seniorenheim und träumt davon, ein Dichter zu werden wie Peter Rühmkorf und die Leute von der Gruppe 47. Dann gewinnt er die Teilnahme an einem Treffen für Nachwuchsschriftsteller in Westberlin. In der geteilten Stadt lernt er Heiner Müller, den jungen, eigentümlichen Dichter Thomas und vor allem Katja kennen, mit der er Ausflüge an die Mauer unternimmt. Nach seiner Rückkehr schreibt sie ihm Liebes-briefe. Und Volker fährt ein zweites Mal nach Berlin. .
Ein Roman, der mit sehr, sehr leichter Feder und sehr, sehr hoher Souveränität erzählt.
Thea Dorn
Es ist ein Buch über das Erwachsenwerden, es ist ein Buch über sehr verschiedene Milieus und nicht zuletzt ein ganz wunderbares Buch über die Kraft der Literatur.
Ulrich Matthes
Ein Glücksfall. Ein Coming-of-Age-Roman, ein literarisches Roadmovie, das uns mitten ins Sprachland führt. Schwer zu sagen, was der schönste Satz in diesem Buch ist.
Jochen Overbeck, Spiegel Online
Stella
Takis Würger
gelesen im April 2024
238 Seiten
Ein junger Mann kommt 1942 nach Berlin. In einer Kunstschule trifft er eine Frau. Die beiden werden ein Paar. Eines Morgens klopft sie an seine Tür, verletzt, mit Striemen im Gesicht, und sagt: »Ich habe dir nicht die Wahrheit gesagt.«
Man beginnt dieses Buch mit Skepsis, man . liest es mit Spannung und Erschrecken, man beendet es mit Bewunderung.
Daniel Kehlmann
Eindrücklich, stark, schmerzhaft. Ein Buch, aus dem wir nicht unversehrt hervorgehen.
Joel Dicker
Um diese Zeit und dieses Unrecht nicht vergessen zu machen, brauchen wir aber das Erzählen, auch und besonders das der Nachgeborenen.
Aus einem offenen Brief von Buchhändlern im Börsenblatt
Vielleicht Gelesenes...
eines Tages
Hoffnung & Revolution
C.A. Davids
gelesen im März 2024
320 Seiten
Ein seltener, da feinfühlig und gesichtswahrend mit erstaunlicher Empathie geschriebener Politthriller, mit verblüffenden Verbindungslinien zwischen Kapstadt, Harlem und Shanghai von Mitte des 20.Jahrhunderts bis in die Gegenwart, in Zeiten politischer Umwälzungen, staatlicher Überwachung und Unterdrückung. Über persönliche Erfahrungen und teilweise erschütternde Schicksale von Menschen, die . vereint sind in ihrer Entschlossenheit‚ erfahrenem oder ausgegrabenem Unrecht unter Einsatz oft hohen eigenen Risikos zu begegnen.
Es ist eine bewundernswert ehrgeizige und fesselnde Erkundung von Aktivismus, Verrat und dem täglichen Leben in interessanten Zeiten, die in vielen Teilen der Welt von zunehmender Bedeutung sind.
New York Times
Hoffnun'
Puneh Anasari
gelesen im März 2024
166 Seiten
Facebook ist' das Kommunending vom 21. Jahrhundert
Alle liken alles von Allen und sharen alles mit Allen als gäbs keine Viren kein Aids u kein Morgen.
& dann wundern sie sich dass die Geschlächtskrankheit SIE trifft ihr eigen fleisch & blut ihr liebstes hab & gut Ihr macbo0c3000
Dann kommen sie plötzlich drauf dass sie zu wenig Zeit mit ihrer Familie verbracht haben und werden existenziell
Ein radikales, ein poetisches, ein wütendes, ein intimes Buch. Die besten Posts der Wiener Underground-Autorin Puneh Ansari in ihrer eigenen Schreibweise. Es geht um die Zukunft und den Weltuntergang, Pinguine und Windows, Pubertät und Frühstück. Eigentlich um alles.
Puneh Ansaris Texte sind zugleich höchst zerbrechlich und unzerstörbar solide.
FMA, Lukas Tagqwerker .
Atemlos apokalyptisches Werk.
3Sat/Kulturzeit, Rebecca Ramlow
Mit Puneh Ansari hat Wien (und die Welt) eine neue Autorin.
Augustin, Ruth Weismann
Zeit, sich aus dem Staub zu machen
Andrea Petcovic
gelesen im März 2024
217 Seiten
GAME OVER
Wie ist es, das hinter sich zu lassen, dem man sein ganzes Leben gewidmet hat? Wie sich neu erfinden? Eine Identität ablegen, eine neue annehmen. Und wie weiß man, wann es Zeit ist für diesen lebensverändernden Einschnitt? Die ehemalige Top-Ten
Tennisspielerin Andrea Petkovic erzählt auf ehrliche und schonungslose Weise.von ihrem Ausstieg aus dem Profisport. Und geht dabei existenziellen Fragen auf den Grund, die sich uns allen angesichts großer Veränderungen im Leben stellen.
"Es war Zeit, den Prozess des Loslassens einzuläuten. Er würde nicht einfach werden, aber er war notwendig. Ich konnte einen Zentner von meinen Schultern fallen hören. Ich fühlte mich leichter. Ich wiederholte: Es war notwendig. Es war notwendig."
Tiere, vor denen man Angst haben muss
Alina Herbig
gelesen im März 2024
256 Seiten
Der Herbst setzt ein, und Madeleine friert. In ihrem Zimmer steht ein qualmender Ofen, doch meist muss sie sich mit einer Wärmflasche begnügen. Madeleine lebt mit ihrer Schwester Ronja und ihrer Mutter auf einem maroden Hof im Norden Mecklenburgs. Als die Familie kurz nach der Wende von Lübeck hierherzog, erfüllte sich die Mutter ihren Traum vom antikapitalistischen Leben auf dem Land. Erst ging der Vater, dann die Brüder, nun bevölkern zahlreiche Tiere das Haus, denen die Mutter all ihre Zuwendung schenkt.
Während Madeleine ihre Träume im Quellekatalog ankreuzt, wird es kälter und kälter, eh der Raum zum Leben immer kleiner. Wie soll sie die Familie zusammenhalten, wenn ihre Mutter ständig weg ist und Tiere und Pflanzen durch alle Ritzen dringen?
Eine berührende Heldin, der man gebannt folgt auf ihrer Suche nach Geborgenheıt.
Kristine Bilkau
Ein grandioses, tragikomisches Kindheits-Bestiarium, dessen Protagonistinnen man so schnell nicht vergisst.
Daniela Dröscher
Südstern
Tim Staffel
gelesen im Februar 2024
287 Seiten
Vanessa ist Pharmakologin. Sie liefert Substanzen, die für Erfolg und Glück sorgen. Ihre Kunden sind Sportler, Krankenpflegerinnen und Politiker. Deniz ist Straßenpolizist. Er fährt Doppelschicht und pflegt seinen parkinsonkranken Vater. Jeden Tag suchen Vanessa und Deniz verlorene Menschen auf, doch dann treffen sie sich. Ein zarter, starker Großstadtroman, der danach fragt: Wie halten wir dem Druck stand? Wie wollen wir leben, und wie können wir lieben?
Tim Staffel hat einen absolut zeitgemäßen halluzinogenen Großstadtroman geschrieben.
Jan Brandt
Die Stadt und ihre ungewisse Mauer
Haruki Murakami
gelesen im Februar 2024
635 Seiten
Irgendwann schufen wir uns eine besondere geheime Welt, nur für uns beide - die wundersame Stadt umgeben von der hohen Mauer.
Eine verlorene Liebe führt den Erzähler in eine ummauerte Stadt, die nur betreten kann, wer seinen eigenen Schatten zurücklässt. Es ist der Beginn einer traumgleichen Reise, die ihn für immer verändern wird.
Ohne Haruki Murakamis Werk wäre die Welt ärmer, ja möglicherweise kaum verständlich. Seine Bücher machen uns weniger einsam.
Clemens J. Setz
Monschau
Steffen Kopetzky
gelesen im Januar 2024
351 Seiten
Eine Liebe im Ausnahmezustand
Eifel, im Jahr 1962
Der junge Mediziner Nikolaos Spyridakis reist als Assistenzarzt in die Eifel. Im Kreis Monschau sind die Pocken ausgebrochen, hochansteckend und lebensgefährlich. Schnell stößt er mit seiner Arbeit auf Widerstände - denn es ist die Zeit des Wirtschaftswunders; der Chef der für den Ort wichtigen Rither-Werke will die Fabrik um jeden Preis offen halten. Ganz andere Pläne hegt Vera Rither: Die Alleinerbin studiert in Paris, sie trägt den Geist der Avantgarde nach Monschau. Dort begegnet sie Nikolaos. So unterschiedlich die beiden sind, entdecken sie schnell, dass sie mehr verbindet als ihre Liebe zu Miles Davis. Doch die Krankheitsfälle häufen sich, und das Virus nimmt sich, was es kriegen kann ...
Bestsellerautor Steffen Kopetzky verwandelt ein kaum bekanntes Kapitel der Wirtschaftswunderjahre in packende Literatur.
Kopetzky gehört nicht erst seit diesem Roman zu den wichtigsten deutschen
Schriftstellern unserer Zeit.
Berliner Zeitung
Der Kaninchenstall
Tess Gunty
gelesen im Januar 2024
416 Seiten
Willkommen im Kaninchenstall. Blandine die eine Obsession für Hildegard von Bingen entwickelt hat lebt nicht allein denn da sind noch ihre Nachbarn: eine Online-Nachrufschreiberin. Eine junge Mutter mit einem dunklen Geheimnis. Eine Frau, die im Alleingang einen Feldzug gegen Nagetiere führt. All diese Menschen sind nur durch die dünnen Wände eines schäbigen Apartmentkomplexes in einem ehemaligen Industrieort in Indiana voneinander getrennt.
Eine schonungslos schöne und beißend komische Momentaufnahme des zeitgenössischen Amerikas, eine hinreißende und provokante Geschichte über Einsamkeit und Sehnsucht, Verstrickung und schließlich: Freiheit.
Ein unglaublich weises, wild erfinderisches, tief bewegendes Kunstwerk, dessen scheinbar unendliches Angebot noch lange nach dem Ende des Buches in Erinnerung bleibt. Jede Seite enthält einen Roman, eine Welt.
Jonathan Safran Foer
Zwischen Welten
Juli Zeh & Simon Urban
gelesen im Januar 2024
444 Seiten
"Es geht nicht um Einzelfälle. Es geht um die Symptome einer um sich greifenden Psychose. Manchmal denke ich, die Gesellschaft dreht durch."
Zwanzig Jahre sind vergangen, als sich die Landwirtin Theresa und der Journalist Stefan zufällig wiederbegegnen. Aus unterschiedlichen Lebensentwürfen sind gegensätzliche Haltungen geworden: Klimapolitik, Gendersprache, Rassismusvorwürfe - es ist, als liefen die Gräben einer gespaltenen Nation mitten durch ihre Beziehung. Kann ihre Freundschaft die Kluft noch überbrücken?
Zwischen Welten von Juli Zeh und Simon Urban' ist ein hochaktueller Gesellschaftsroman über die zerstörerische Kraft eines enthemmten Diskurses.
Er erzählt vom Schlagabtausch. zweier Menschen, die erkennen müssen, dass sie im Begriff stehen, etwas Entscheidendes zu verlieren: die Freiheit, selbst zu bestimmen, wer sie sind.