Ein wunderschönes Stück
- Matthias
- 11. Jan. 2024
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Nov. 2024

Gerade lese ich im neuen Buch von Haruki Murakami: Die Stadt und ihre ungewisse Mauer. In einer früheren Phase hatte ich all die Bücher von Murakami verschlungen, seine Romane stehen lückenlos in meinem Regal. Dann habe ich ihn wohl aus den Augen verloren oder ich hatte mich an seiner Art zu schreiben etwas satt gelesen. Und letztlich liegt sein letzter Roman auch schon 5 Jahre zurück. Vor einigen Wochen entdeckte ich diesen neuen Roman von ihm in "meinem" Buchladen und natürlich drängte sich die Vervollständigung seiner Werke in meinem Regal ein wenig auf. Nun bin ich wieder versunken in Murakamis Sound der Bedächtigkeit und Gemächlichkeit, der dem Leser eine Muße für Langsamkeit, Wiederholung und Stille abverlangt, und der aber auch, wenn man sich einlässt, immer wieder zu entführen vermag, hinein in eine eigenwillige, die Wirklichkeit immer wieder überschreitende Welt. Doch eigentlich wollte ich hier nur anknüpfen an meinen letzten Blogeintrag und deswegen hier ein paar Zeilen aus dem Roman - am Ende mit einem Link zu einem Stück, das der Protagonist an dieser Stelle hörte:...
Aber an diesem Februarmorgen war es so kalt, dass ich mir nicht den Luxus gönnen konnte, an seinem Grab zu sitzen und Selbstgespräche zu führen. Nach etwa zwanzig Minuten gab ich auf und stieg vorsichtig, um nicht zu stürzen, die spiegelglatte Tempeltreppe hinunter. Wie üblich ging ich zum Aufwärmen in den kleinen Coffeeshop am Bahnhof, trank einen heißen schwarzen Kaffee und aß einen Muffın. Es gab zwei Arten von Muffins, mit und ohne Blaubeeren, aber ich aß immer die mit Blaubeeren. Ich war der einzige Kunde an diesem verschneiten Montagmorgen. Hinter der Theke arbeitete nur die mir bereits bekannte Mittdreißigerin mit den straff zurückgebundenen Haaren. Und wie immer lief leise alte Jazzmusik. Paul Desmond blies sein Altsaxofon. Das erinnerte mich daran, dass bei meinem ersten Besuch hier das Dave Brubeck Quartett mit Desmond als Solist gespielt hatte. »You Go to My Head«, sagte ich zu mir selbst.Die Wirtin, die gerade den Muffin im Ofen aufwärmte, blickte auf und sah mich an.»Paul Desmond«, sagte ich.»Die Musik?« »Ja«, sagte ich. »Der Gitarrist ist Jim Hall.« »Ich habe keine Ahnung von Jazz«, sagte sie entschuldigend und deutete auf den Lautsprecher. »Das ist nur ein Jazzsender über Kabel, den ich eingestellt habe.« Ich nickte. Sie war zu jung, um den Sound von Paul Desmond zu schätzen. Ich nahm einen Bissen von dem warmen Blaubeermuffin, den sie mir serviert hatte, und trank einen Schluck Kaffee. Mit Blick auf den Schnee vor dem Fenster lauschte ich Paul Desmond. Ein wunderschönes Stück.
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