Bericht zur Lage des Glücks
- Matthias
- 23. Okt. 2022
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Nov. 2024

Viel habe ich gelesen in letzter Zeit, vor allem Romane von zwei Männern, die hier in Deutschland mit ihrer literarischen Gabe in verdienter Weise ihren Lebensunterhalt bestreiten, wobei Gabe nicht heißt, dass es keiner aufwendigen Arbeit bedarf, um diese Gabe ins Licht einer aufgeschlagenen Buchseite zu stellen.
Ralf Rothmann ist einer der Beiden, und von ihm las ich die beiden Folgebücher zum Einstiegsroman einer hervorragenden Trilogie, die er vor einigen Jahren begonnen hatte und die in persönlicher Familienanleihe und sehr eindringlicher Art und Weise über die Entwicklung von Schicksalen am Ende des 2. Weltkriegs und in der Nachkriegszeit beschreibt. Und heute morgen in aller Dunkelfrühe las ich die letzten Seiten des Romans Bericht zur Lage des Glücks von Bodo Kirchhoff. Auch wenn Kirchhoff vorgeworfen wird, in diesem Roman einen selbstmitleidigen Protagonisten auf zu konstruierten Wegen im Rahmen des von ihm bekannten Sujet der On the Road-Literatur geschaffen zu haben und er ein nachvollziehbares Narrativ vergessen habe im Bemühen um schicksalhafte Zufälle, so bin ich doch meist eingetaucht gewesen in seine weite Reise. Durch die besonderen, liebesseelischen Gefilde und durch Kalabrien bis Mailand hindurch, in den tiefen Schwarzwald hinein und in ein fremdheißes Afrika, überall begleitet von verschiedenstem Liebeserleben in Verbindung mit drei Frauen: seiner vergangenen Liebe, die er auf einer Fahrt durch Kalabrien auf einstmals gemeinsam begangenen Wegen in Erinnerung aus sich herauslösen möchte, begleitet von einem sich auftuenden Liebeswehen mit einer afrikanischen Schönheit, die über das Meer nach Europa geflüchtet mystisch und geheimnisvoll zu Beginn der Reise in einem kleinen, italienischen Gefährt von ihm aufgenommen wird. Und schließlich ist da noch seine Jugendfreundin - liebe?, die ihn stets durchs Leben begleitet, bei der er Zuflucht findet immer wieder, mit der er reden kann über (fast) alles und philosophieren über Gott, die Welt und die Liebesdinge, die das Dasein durchdringen. Und der er gegen Ende dieser langen Romanreise so nahe kommt wie nie zuvor und vielleicht auch nie wieder danach. Ich bin gerne mitgereist durch Kirchhoffs Fabulierkunst, durch die tiefe Gedankenwelt, die Anstöße im eigenen Denken vermitteln. Hin und wieder frage ich mich beim Lesen, ist weniger nicht mehr?, und ich muss über manche Passagen schneller hinweg huschen, damit mich nicht Langeweile ergreift. Doch meist bin ich inmitten des Geschehens und bei den Reflektionen über die Liebe und über's Glück, die glänzen und manches Mal halluzinatorisch blenden wie das flirrende Licht in der staubigen Hitze inmitten der afrikanischen Steppe.
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