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Wir haben es nicht gut gemacht. Viele Menschen werden dies sagen müssen, wenn sie zurückblicken auf eine Ehe, auf eine Partnerschaft. Auch ich könnte diesen Satz nicht nur einmal ver­wenden im Rückblick, wenngleich diese Aussage das Gute ausschließt, ein Gutes, das in jeder Beziehung seinen Platz hat und vielleicht sogar einen Großteil des Zusammenseins ausmacht; doch das Ungute ist mächtig, vor allem wenn es an einem Ende steht, auch in Erinnerung oder gerade in dieser. Meine Gedanken zu diesen außergewöhnlichen, im letzten Herbst veröffentlichten Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch und meine eigenen, niedergeschriebenen Worte dazu, werden, merke ich gerade, letztlich in ihrem Ausmaß den Rahmen eines Blogbeitrags sprengen. Also lagere ich diese Gedanken aus ins Rezensionsabteil hinein. Nach dem Lesen dieser umfangreichsten Edition habe ich nun angefangen, noch einmal in Max Frischs Montauk zu lesen. Und als ich vor einige Tagen zufällig an einem neu eröffneten antiquarischen Buchladen vorüber spazierte und natürlich nicht umhinkonnte zu stöbern, entdeckte ich einer Fügung gleich eine Originalausgabe von Frischs Mein Name sei Gantenbein (mit einer originalen Rezension der Badischen Zeitung von 1964 eingelegt) und Bachmanns einzigen Roman Malina - beide Bücher standen schon während des Lesens der Briefwechsel an erster Stelle meiner Leseliste und liegen nun ganz obenauf an dem Ort der noch zu lesenden Bücher.

Nachtrag: ich habe mir, nachdem ich die Briefe gelesen hatte, nun noch das Hörbuch zugelegt, und als bisheriger Hörbuchmuffel bin ich erstaunt, wie dieser Briefwechsel gewinnt mit dieser Vertonung. Vor allem die literarischen und poetischen Grundtöne in all den Zeilen von Bachmann und Frisch kommen noch einmal mehr zur Geltung, was nicht zuletzt an den sehr gut vortragenden Stimmen von Johanna Wokalek und Matthias Brandt liegt.

 
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Viel habe ich gelesen in letzter Zeit, vor allem Romane von zwei Männern, die hier in Deutschland mit ihrer literarischen Gabe in ver­dienter Weise ihren Lebensunterhalt bestreiten, wobei Gabe nicht heißt, dass es keiner aufwendigen Arbeit bedarf, um diese Gabe ins Licht einer aufgeschlagenen Buchseite zu stellen.

Ralf Rothmann ist einer der Beiden, und von ihm las ich die beiden Folgebücher zum Einstiegsroman einer hervorragenden Trilogie, die er vor einigen Jahren begonnen hatte und die in persönlicher Familienanleihe und sehr eindringlicher Art und Weise über die Entwicklung von Schicksalen am Ende des 2. Weltkriegs und in der Nachkriegszeit beschreibt. Und heute morgen in aller Dunkelfrühe las ich die letzten Seiten des Romans Bericht zur Lage des Glücks von Bodo Kirchhoff. Auch wenn Kirchhoff vorgeworfen wird, in diesem Roman einen selbstmitleidigen Protagonisten auf zu konstruierten Wegen im Rahmen des von ihm bekannten Sujet der On the Road-Literatur geschaffen zu haben und er ein nachvollziehbares Narrativ vergessen habe im Bemühen um schicksalhafte Zufälle, so bin ich doch meist einge­taucht gewesen in seine weite Reise. Durch die besonderen, liebesseelischen Gefilde und durch Kalabrien bis Mailand hindurch, in den tiefen Schwarzwald hinein und in ein fremdheißes Afrika, über­all begleitet von verschiedenstem Liebeserleben in Verbindung mit drei Frauen: seiner vergangenen Liebe, die er auf einer Fahrt durch Kalabrien auf einstmals gemein­sam begangenen Wegen in Erinnerung aus sich herauslösen möchte, begleitet von einem sich auftuenden Liebeswehen mit einer afrikanischen Schön­heit, die über das Meer nach Europa geflüchtet mystisch und geheimnis­voll zu Beginn der Reise in einem kleinen, italienischen Gefährt von ihm aufgenommen wird. Und schließlich ist da noch seine Jugendfreundin - liebe?, die ihn stets durchs Leben begleitet, bei der er Zuflucht findet immer wieder, mit der er reden kann über (fast) alles und philosophieren über Gott, die Welt und die Liebesdinge, die das Dasein durchdringen. Und der er gegen Ende dieser langen Romanreise so nahe kommt wie nie zuvor und vielleicht auch nie wieder danach. Ich bin gerne mitgereist durch Kirchhoffs Fabulierkunst, durch die tiefe Gedankenwelt, die Anstöße im eigenen Denken vermitteln. Hin und wieder frage ich mich beim Lesen, ist weniger nicht mehr?, und ich muss über manche Passagen schneller hinweg huschen, damit mich nicht Langeweile ergreift. Doch meist bin ich inmitten des Geschehens und bei den Reflektionen über die Liebe und über's Glück, die glänzen und manches Mal halluzinatorisch blenden wie das flirrende Licht in der staubigen Hitze inmitten der afrikanischen Steppe.

 

Autor von Hirnstromern

Matthias Wagner

menschliche würde orthopädie des aufrechten gangs also kein gekrümmter rücken vor königsthronen nimm deine füße unter die arme und lauf cry baby nur der frieden ist es mein sohn wofür wir leben die beherrschung der natur ist gekoppelt an die verinnerlichte gewalt des menschen über den menschen gekoppelt an die gewalt des subjekts über seine eigene natur you can go all around the world trying to find something to do with your life baby when you only gotta do one thing well

Aus Wolkenbruch

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