Internetpause
- Matthias
- 4. Jan. 2012
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Nov. 2024
Nach einer selbstauferlegten, einmonatigen Internetpause ein herzliches Hallo ins neue Jahr hinein mit den besten Wünschen an all die hier Kreisenden. Warum diese Pause in der Ausführung so konsequent war wie manch anderes Vornehmen im Alltag und warum überhaupt eine Pause von Nöten war, lest ihr hier:
Ja, diese Netzpause war in der konsequenten Ausführung etwa dem Vornehmen zuzuordnen, sämtlichen Süßkram außer Reichweite involvierter Sinne zu platzieren: irgendwo stößt man gewiss per „Zufall“ hier und da auf eine Schranktür oder Schublade, die sich wie von selbst auch ohne Code öffnen und ein (grinsendes) Stöhnen verursachen: wie, verdammt nochmal, kommen diese Kekse hierher?!! Oder das Vornehmen, die täglichen Yogaübungen und Meditationen zur körperlichen und geistigen Ertüchtigung zu vollführen, „es reichen ja schon 10 Minuten am Tag“: während am späten Abend das aufgeschlagene Buch sich gleichmäßig auf der müden Brust auf und nieder senkt, der kurze, resignierte Ausruf: das Leben ist zu kurz und ein solcher Tag erst recht (und im Stillen die bitterböse Einsicht: im Netz warst du trotz auferlegter Pause heute mindestens 60 Minuten). Und zum Vornehmen, das Bad und den Küchenfußboden mindestens so oft zu putzen, wie auch die Ställe gemistet werden: was gibt es nicht für unwiderlegbare Gründe, diesen zeitlichen Intervall zu dehnen, hinaus-zuschieben, und zu postulieren: und überhaupt hasse ich nichts mehr als Wischen; Staubsaugen okay, aber Wischen…Jaja, die Ausflüchte: Mails, klar, die muss man checken und hie und da auch beantworten – an der nicht mehr erwähnenswerten Bedeutung gemessen ist dieser Vorgang nichts anderes als Zähneputzen… Spiegel-Online o.ä. durchforsten ist das Unumstößliche, das dem einstigen Blättern in der Tageszeitung gleichgestellt ist… und hier oben auf dem Berg inmitten schwarzer Wälder, eingeschneit und abgeschnitten von jeglich lebenserhaltendem Konsumverhalten, muss auch mal eine Online-Bestellung zumindest von Büchern drin sein… und ab und an auch ein kurzer Blick auf das, was all die Menschen da draußen in den sozialen Netzwerken so umtreibt – das fällt unter den im Grunde auch nicht allzu relevanten Kontrollverlust, den man ja auch sofort wieder im Griff hat (es sei denn man folgt Linktips, wie der von Pia zu Fahrenheit Null, und denkt dabei, hey, jenseits der Buchsupermarktwunschlisten o.ä. im Netz eine prima Sache, also gleich mal anmelden – nach 41 eingegebenen Vormerkungen muss natürlich auch noch Gelesenes preisgegeben werden, und erst als nach Stunden ein mehr oder weniger wohlwollendes: wolltest du nicht eigentlich…?! von irgendwo weither ans Ohr dringt, wird man vom schlechten Gewissen gepeitscht; das wiederum hat allerdings eine ertragbares Haltbarkeitsdatum einhergehend mit wohl trainierter Verdrängung).Nungut, dies allem manches Mal trotzig wehrend, manches Mal fatalistisch ergeben gegenüberstehend, habe ich es letztlich doch geschafft, meine Netzpräsenz ziemlich zu reduzieren, und das war gut so!
Warum überhaupt eine Internetpause? oder in meinem Falle eben wahrheitsgemäßer: eine Internetreduzierung? Da war dieses plötzlich überreizte Flirren im Hirn und eine zunehmende Ungehaltenheit über die alltäglich notwendigen Dinge, die mich immer wieder vom Rechner weg holen wollten, zwei emotionale Reaktionen, die mich in einem Moment der hellsichtigen Selbstreflektion zu diesem Entschluss trieben. Es wurde schlicht und ergreifend zuviel des Guten: all diese oft interessanten Beiträge in G+ gespickt mit Links und ansehnlichen Photos, das Entdecken von Menschen, die mehr oder weniger etwas zu sagen haben und das eigene Posten, das ja auch ab und an Überlegung erfordert… das Sich-Anmelden, nach langer Verweigerung, nun doch zusätzlich bei Facebook…
( – dazu kurz ein notwendig familiärer Exkurs: seit einiger Zeit schon belagere ich meine geliebten, schon viel zu erwachsenen Inseltöchter inmitten des weiten Ozeans, mir doch aus ihrem Leben mehr Photos und Lebenszeichen per Mail zu schicken, mit nicht allzu viel Erfolg. Dies einem Freund geklagt, lacht er nur und sagt: schau doch mal auf Facebook. Gut, dann also für das Verbindende die langangehaltene Verweigerungshaltung aufgebend tue ich das mit Decknamen, ferner E-Mail-Adresse und allen möglich recherchierten Privatsphärenschutz-einstellungen und FB-Blockern (FB kriegt mich nicht auch noch! denke ich) und plötzlich breitet sich die (Netz)Welt meiner Töchter aus. Und auch wenn ich teilweise entsetzt bin über über die freizügige Öffentlichkeit vor allem von unzähligen Photos, merke ich als bisheriger SN-Hinterwäldler doch, dass sich da eine zusätzliche Brücke aufbauen kann. Und ich denke wehmütig: nachdem Briefe und Postkarten längst schon das Zeitliche gesegnet hat, smsen auch schon fast out ist und Telefonieren über diese Distanz auf Dauer zu teuer, liegt nun auch das E-Mailen in den letzten Zügen und übergibt in der Facon einer direkten, plaudernden Unterhaltung die Kommunikation an Facebook.)
Aber zurück zur Überreizung: im gleichen Atemzug zur Facebook-Anmeldung auch das Abschließen eines Probeabos für die neu aufgemachten Spiegel-Digital-Ausgaben, die natürlich auch gelesen werden müssen… das Verfolgen von sich anstauenden, interessanten Blogs… das Pflegen der eigenen Homepage… und, beim morgendliche Müsli: Papa, wie werden Haferflocken gemacht?! Na, da schauen wir doch mal zusammen in Wikipedia, um nichts Falsches zu erzählen… und natürlich all die Photocollagen, die zusammen mit weihnachtlichen Grüßen per Mail an all die Nahen versandt werden wollen (und die mannigfaltigen Antworten natürlich gelesen)… undundund… und dann kam auch noch der Eselsohren-Adventskalender hinzu und der Ehrgeiz, die richtigen Antworten im Netz zu ergründen – doch da, schon am zweiten oder dritten Türchen, kam die Intention: Schluss jetzt!!! All das wurde zu viel, ich war zu sehr eingebunden in dieses sofasitzende Paralleluniversum und musste mich zuweilen mit zu viel Mühe wieder in den haptisch greifbareren Alltag hinüber- und hineinraffen. Das tat mir nicht gut und auch den mir Nahen um mich nicht. Nun werde ich zukünftig besser strukturieren und filtern, werde mir Zeitvorgaben setzen, werde eine innere Instanz einrichten, die alarmiert, wenn der Blick hinein in dieses leuchtende Viereck zum Sog zu werden beginnt und mich wegholt von den Düften des Winters, von der warmen, nahen Haut der Lieben um mich, von den begehrenden und zugeneigten Tönen unserer Tiere… (drum ende ich nun hier und stapfe gleich keuchend zig Male durch den hohen Schnee hinauf zum Waldrand, um glücklich und von einfacher Draußen-Poesie vereinnahmt beim gemeinsamen Schlittenabfahren dem Kindesjubilieren zu lauschen, das vom Wald widerhallend sich über die weißen Wiesen und Weiden ergießt).




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