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  • 9. Mai 2015
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In anstrengenden, überladenen Zeiten muss es wohl so sein, dass ich – nicht im abwertenden Sinne – das Lesen zum reinen Ablenken benutze; ich lese, sinke ein in fremde Geschichten, die manchmal angenehm nicht meine sind, entwickle eine achtsame Identifikation mit dem literarischen Geschehen im Jetzt und dann lasse ich wieder los. Nur so ist es zu erklären, dass ich innerhalb einiger Tage Stephan Thomes Gegenspiel zu Ende gelesen habe, ohne zu merken, dass er die Handlung von Fliehkräfte aufgreift, seinem Vorgängerroman, den ich vor zwei Jahren gelesen habe. Hin und wieder dachte ich, kommen mir die Dialoge bekannt vor, auch der örtliche Hintergrund, doch zog ich keine Schlüsse. Von einer versteckten Ahnung getrieben, griff ich nocheinmal zu Fliehkräfte und nach einigem Blättern schlage ich mich vor die Stirn; ich suche Gewissheit im Netz und ja natürlich, so ist es: Thome schreibt Gegenspiel aus der Sicht von Maria, Fliehkräfte war der Wahrnehmung von Hartmuth vorbehalten – Maria und Hartmuth, die Protagonisten von vielen Szenen einer Ehe, rückblickend, in Zeitschienen mäandernd, vorsichhertragend. Getragen vom Kopfschütteln über meine Geistesentleerung drängt es mich nun, Fliehkräfte nochmals zu lesen, doch es warten zu viele andere verlockende Bücher auf mich. Mit Gegenspiel tat ich mich eine nicht kurze Zeit lang schwer, vielleicht weil ich Thomes Romane immer noch an Grenzgang messe, einem Erstling, den ich sehr gelungen fand und der in der Struktur einfacher und mehr bei sich gehalten war, und weil ich hin und wieder dachte: will ich gerade meine Zeit verbringen mit langen Verständnisentwicklungen für die Hin und Herwälzungen alltäglicher Beziehungsbefindlichkeiten? In Fliehkräfte (ja, ich erinnere mich vage) und mehr noch in Gegenspiel fühlt es sich so an, als wolle Thome erweiterte literarische Kompetenzen präsentieren, die auch der Gestaltung verschiedener Zeitebenen und komplizierteren Abläufen mächtig sind. Und ja, denen ist er es durchaus, und trotz der eigentlich nicht wirklich ablenkend spannend unterhaltsamen Lektüre hat er mich mit Hilfe von Maria und Hartmuth dann doch wieder gepackt mit seinen Gesellschaftsdurchleuchtungen bis hin zu starken letzten 100 Seiten.

Ich bin gespannt auf sein nächstes Werk und werde dann mit Argusaugen auf inhaltliche Parallelen zu seinen bisherigen Büchern achten…

 
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Es gibt Phasen, da mag das Lesehirn aus diversen Gründen nicht so, wie man sich selbst eigentlich gerne mußenhaft hingeben würde. Dann sind die für das Fließen von Worten innerhalb eines Romans verantwortlichen Synapsen durch andere Einflüsse verstopft. Also greife ich zu Sachbüchern und in der jetzigen Phase zu einem der Bände Heinrich August Winklers zur Geschichte des Westens: Vom kalten Krieg zum Mauerfall. Und schon beginnen sich andere Synapsen zu regen und naheliegende Hirngebiete zu entfalten: die der lustvollen Erfassung von Chroniken, und eben eine solche wird durch das umfassende Schreiben von Winkler ganz hervorragend angestoßen. Es ist nun nicht, wie manch einer rezensiert, brillant und hochspannend geschrieben, aber man folgt dem Chronikstrom gerne und findet viele Passagen, die das eigentlich schon gebildete Wissen weiter anreichern und weiteres Verständnis für globale, geschichtliche Zusammenhänge fördern. Aus dem oben verlinkten Artikel der Zeit: Dieser Band ist nicht diskursiv angelegt, der Autor wägt nicht ab, probiert keine Theorien aus, sucht nicht nach Widersprüchen und offenen Fragen – er konstatiert. Das macht das Buch in manchen Passagen etwas lexikalisch. Zugleich aber ist es erfrischend altmodisch, denn es verfällt nicht in die in der Geschichtswissenschaft ebenso beliebte wie kurzatmige Begeisterung für bestimmte „Turns“ oder Theorien. Es berichtet in bestechender Klarheit über die Geschehnisse und verdichtet sie zu Geschichte – ein faszinierendes Panorama der globalen Politikgeschichte, wie man es von einem einzelnen Autor sonst wohl nirgends finden kann. Irgendwann werde ich mir auch die anderen Bände zulegen.

Und dann regt sich mit dem Austreiben der Frühlingstriebe doch auch wieder die Romansehnsucht und ich taste mich langsam wieder heran mit dem dritten Buch von Stephan Thome: Gegenspiel

 
  • 17. Feb. 2015

… die Bücher auf meinem Nachttisch, eine Tatsache, die eher selten vorkommt, da ich ausgewählte Bücher meist zu Ende lese, bevor ich ein neues beginne: Nicht mit mir von Peer Petterson fängt mich nicht wirklich, bin ein wenig enttäuscht nach Pferde stehlen. Das liegt nicht an seinem nach wie vor guten Stil und der Erzählkunst, ich finde keinen Bezug zur Geschichte mit all den Rückblenden und Wechseln der Perspektive und dem eher schwerlastenden Hintergrund der Protagonisten. Also lege ich das Buch erstmal beiseite und greife zu den neuen Erzählungen von Murakami, ein immer gern, in früheren Zeiten leidenschaftlich gelesener Gast auf dem aktuellen Lesetisch; aber auch durch die Männer, die keine Frauen haben bin ich zwar gut unterhalten, aber nicht eintauchend angetan. Fehlt mir gerade die nötige Leseinvolviertheit, die Hingabe an die sich ausbreitenden Geschichten oder finden sich gerade nicht die zu mir in meinen aktuellen Lebensmomenten passenden?

 

Autor von Hirnstromern

Matthias Wagner

menschliche würde orthopädie des aufrechten gangs also kein gekrümmter rücken vor königsthronen nimm deine füße unter die arme und lauf cry baby nur der frieden ist es mein sohn wofür wir leben die beherrschung der natur ist gekoppelt an die verinnerlichte gewalt des menschen über den menschen gekoppelt an die gewalt des subjekts über seine eigene natur you can go all around the world trying to find something to do with your life baby when you only gotta do one thing well

Aus Wolkenbruch

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